Beitrag 2004
2. Phase: 2004 – 2. Rundgang
asp Architekten GmbH, Berlin
Verfasser:in: Cem Arat, Dimitrios Kogios, Markus Weismann
Mitarbeiter:in: Henriette Commichau, Timo Bilhöfer, Hans Aescht, Manuel Martinez, Nouran Mansour, Prottoy Shams, David Meurer, Clara Scherer
Koeber Landschaftsarchitektur, Stuttgart
Verfasser:in: Jochen Köber
Mitarbeiter:in: Josepha Eichhorn
Tragwerk: sbp spain schlaich bergermann partner, Stuttgart
TGA: TransplanTechnik-Bauplanung GmbH, Stuttgart
Vollbildgalerie (Link)
Audio zur Beschreibung des Entwurfes
Erläuterungstext der Verfasser:innen
IDEE
Jahn-Sportpark als pulsierender Organismus
Der Jahnsportpark mit dem aktuellen Stadion ist für viele Berliner:innen ein symbolischer Ort mit starker Identifizierung. Sportliche Aktivitäten vielfältiger Art sind das Herzstück des pulsierenden Organismus Jahn-Sportpark. Der Park ist ein zentraler Standort für den Inklusions-, Schul- und Vereinssport, für Individualsport sowie Freizeit und Erholung.
IDENTITÄTSSTIFTENDE ELEMENTE – ERHALTUNG UND EINBINDUNG
Den Ort prägende Elemente wie die rote Gebäudefassade im Bestand, Leuchtmasten oder Stadionsitze werden als identitätsstiftende Elemente erhalten und in die neue Konzeption des Sportparks eingebunden.
Das „neue Grün“
Das „neue Grün“ in Form des pulsierenden Netzwerkes, der nachhaltigen Dachkonstruktion aus Holz oder der begrünten Terrassen am Stadiongebäude, umarmen und integrieren das modernisierte Bestandsgebäude.
Klammer – BESTAND WEITERBAUEN
Die bestehende Stahlbeton-Skelett-Konstruktion des Bestandsgebäudes bildet den Kern des neuen Tribünengebäudes. Eine Klammer aus Erschließungen, Terrassen, Sportler- und Funktionsräumen umfasst und ergänzt das Bestandsgebäude.
Uneingeschränkte Erreichbarkeit
Die zentrale Rolle bei der Konzeption des neuen Sportparks spielt die ganzheitliche Einbindung aller Bereiche und die uneingeschränkte Erreichbarkeit aller Nutzungen von den öffentlichen Verkehrsmitteln bis in die Gebäude hinein.
Netzwerk aus Wegen
Um alle Orte innerhalb des Parks barrierefrei zu erreichen, wurde ein Netzwerk aus Wegen und Knotenpunkten über das gesamte Areal gelegt. Die Hierarchisierung der Wegeführung ist zurückhaltend und stellt sich in den Wegebreiten und in leicht differenzierten Oberflächen dar. Die Wegräume verbinden alle Zugänge, sportlichen Einrichtungen und Freiflächen auf natürliche Weise miteinander, schaffen selbst Orträume für Sport, Freizeit, sowie nichtzugeordnete Aktivitäten. Die Flächen innerhalb des Netzwerks sind Sportfelder, Sportwiese, Hauptplatz, Baumhain, kleine Flächen für Gymnastik, Freeletics, Parcour, Tischtennis oder Boule. Die Knotenpunkte und Nervenzentren innerhalb der Wege sind kleine informelle Plätze, Orte der Begegnung, definieren den Haupteingang oder den zentralen Platz vor dem Stadion. Am Hauptplatz sammeln und begegnen sich die Besucher, sitzen im Café, der Snackbar, oder besuchen den Fanshop. Sitzstufen an den Sportfeldern oder auf der Südseite des Stadions bilden ein attraktives Angebot für die Besucher*innen zu verweilen.
Ein behutsamer, in den bestehenden Wall integrierter Neubau mit einem System aus Ebenen und Rampen wächst nach Osten aus dem Wall heraus und führt die Parklandschaft im Gebäude als begrünte, treppenartige Terrassen bis zum Vorplatz fort.
Neue Sportgebäude
Um den Überblick über die gesamten Sportflächen des Sport- und Naturparks zu erhalten, werden die Hallennutzungen und das Inklusionsgebäude in zwei Gebäuden komprimiert und durch Geländemodellierungen Teile des Parks und so zur gebauten Landschaft. Die Neubauten im Sportpark nehmen sich somit zurück und respektieren die Solitäre in der Umgebung.
Inklusion
Alle Nutzergruppen, Fußgänger, Radfahrer oder Nachbarn nutzen eine attraktive Durchwegung im Alltag, dabei wird auf barrierefreie, fugenlose und nachhaltige Wege und Bodenbeläge geachtet. Die Aktivitäten innerhalb der Spielstätten, auf den zahlreichen Freiflächen, die Bewegungen entlang des Wegesystems lassen einen pulsierenden Ort aus intensiven bis ruhigen Aktivitäten für alle Nutzer entstehen.
Stellplätze
Die Behindertenstellplätze, die Einfahrt in die Parkgarage und eine Freifläche für Medienfahrzeuge befindet sich auf der Südseite des Sportparks. Fahrradstellplätze befinden sich an allen Zugängen zur Anlage.
Einfriedung – Zaun
Die Einfriedung des gesamten Geländes geschieht eingebunden ins Grün. Die Tore öffnen sich zu den Nutzungszeiten. Ein hermetischer Eindruck soll vermieden werden. Deshalb wird die zweite Sicherung um das Stadion aus der Architektur heraus entwickelt. Die Hinterlandmauer wird zum integralen Bestandteil der Einfriedung.
Ökologie Freiraum
Die Grünflächen des Mauerparks, des Falkplatzes und des Sportparks werden gemeinsam betrachtet. Für eine klimaresiliente Freiraumplanung wird eine Vielzahl an begrünten, nicht versiegelten Flächen, der Erhalt des Baumbestandes und die Pflanzung von neuen Bäumen, Büschen und Sträuchern vorgesehen. Baumreihen entlang der Hauptwege und der bestehende Baumhain bieten den Besuchern Schatten und sind Brutstätten für Vögel. Zur Steigerung der Biodiversität werden trockene Wegraine entlang der Wege ohne Randeinfassung und weitere thermophile Standorte mit autochthonem Saatgut angesät. Die Potentiale von begrünten Flächen und Dächern, als auch die Regenwassernutzung, die zum Klimaschutz beitragen, werden berücksichtigt
Regenwassermanagement
Blau-Grüne Infrastruktur: Im Sinne der Schwammstadt werden die versiegelten Flächen minimiert und das anfallende Dachwasser sowie das Grauwasser in Filterrigolen geführt, um zur Bewässerung der Grünflächen dienen zu können.
NEUBAU STADION – FUNKTIONALE ABLÄUFE
Erschließung
Die Erschließung des Stadions erfolgt für die Heimfans hauptsächlich über die Eberswalder Straße im Süden. Von der Gaudystraße und Cantianstraße gelangen die Besucher:innne auf den Vorplatz. Der Zugang zum Stadion vom Vorplatz erfolgt über die beiden nördlich und südlich gelegenen Rampen. Diese beiden Rampen dienen als Zufahrt und Aufstellfläche für die Rettungs- und Einsatzfahrzeuge, die nördliche Rampe kann ebenfalls zur Entfluchtung der Max-Schmehling-Halle genutzt werden. Der VIP-Zugang erfolgt vom Vorplatz und das Tribünengebäude.Im Norden und Süden der Graffity-Wand befinden sich zwei Zugänge mit kleinem Biergarten. Die Gastfans werden kreuzungsfrei vom Süden in das Stadion geführt.
stadiongebäude – Der Neue, Alte Kern
Die bestehende Stahlbeton-Skelett-Konstruktion und die Dachkonstruktion aus Stahl des Bestandsgebäudes bildet den Kern des neuen Tribünengebäudes. Eine behutsam in den bestehenden Wall integrierte Klammer aus Erschließungen, begrünter Terrasse, Sportler- und Funktionsräumen umfasst und ergänzt das Bestandsgebäude.
NUTZUNGEN
Die Ebene 0 als Zugangsebene mit Sportlerbereich und Mixed Zone ist mittig auf das Spielfeld ausgerichtet. Auf der Ebene 1 sind die Presse und Ordnungsdienst und Einsatzkräfte untergebracht. Ebene 2 mit Zugang zur Promenade beherbergt die Verwaltung, Befehlsstelle und ein Restaurant. Die Ebene 3 ist den Business-Gästen vorbehalten. Auf Ebene 4 befinden sich die Logen, Kommentatoren und Stadionsprecher.
Tribüne
Die neue, optimierte Tribüne für 20.000 Zuschauer:innen mit Promenade und Kiosken auf der Umgangsebene ist für alle Nutzer über barrierefreie Rampen und Zugänge sehr gut erreichbar. Eine Vielzahl an Sitzplätzen für Menschen mit Behinderung sind über die Tribüne verteilt. Von jedem Platz auf der Tribüne haben die Besucher:innen eine optimale Sicht auf das Spielfeld und die Leichtathletik-Kampfbahn. Der Mittelpunkt des alten und neuen Spielfeldes bleibt unverändert. Kioske und Wcs sind ringförmig um das Stadion angeordnet und sind von der umlaufenden Promenade leicht erreichbar.
Barrierefreiheit
Eine gezielte Wegeführung für Besucher/-innen, Heim- und Gästefans führt barrierefrei in das Stadion. Dabei wird auf eine technikfreie Erschließung großen Wert gelegt. Der Ring aus Kiosken und Nebenräumen bildet die Begrenzung des Stadions zum Park hin. Es entstehen kurze Wege für die Entfluchtung und Entleerung des Stadions. Rampen rund um das Stadion und innerhalb des Hauptgebäudes, die breite Promenade auf der Umgangsebene und Mundlöcher in der Tribüne ermöglichen eine uneingeschränkte Erreichbarkeit aller Bereiche in und um das Stadion.
TRAGWERK
Mit dem Ziel ein effektives, nachhaltiges und ästhetisches Tragwerk zu entwickeln, entsteht unser Entwurf, der den Bestand des Tribünengebäudes erhält und sensibel in die Holzkonstruktion des Neubaus integriert. Durch den Erhalt der Struktur des Bestandsgebäudes wird der Carbon Footprint des neuen Stadions erheblich reduziert. In Kombination mit der Holzdachkonstruktion des Neubaus entsteht so eine sehr ressourcenschonende und zeitgemäße Konstruktion.
BESTAND TRIBÜNENGEBÄUDE
Das bestehende Stahl-Kragdach wird stahlbaumäßig erweitert und erhält im inneren Bereich eine sehr leichte seilgestützte ETFE-Eindeckung. Auch die übrigen Bereiche werden mit einem leichten Dacheindeckung versehen. Durch die Lastreduktion, optimierte Windlastansätze durch Windgutachten und ggf. lokalen Verstärkungsmaßnahmen, kann die größere Spannweite der Erweiterung kompensiert werden. Der Stahlskelettbau des Bestandsgebäudes wird entkernt und nach Bedarf statisch ertüchtigt. Im äußeren Eingangsbereich wird vor dem Bestand eine neue Stahlkonstruktion für Terrassen und Rampen angeordnet und separat gegründet. Zur Herstellung der neuen Nutzungen im Inneren des Stadions, wird der bestehende Oberrang temporär abgefangen. Nach Fertigstellung dieser neuen Stahlbetonkonstruktion trägt diese die Lasten des bestehenden Oberrangs ab. Der Unterrang setzt sich aus regelmäßigen angeordneten Zahnbalken und Fertigteilstufenelementen zusammen.
Die Gründung des Bestands kann erhalten werden. Ergänzende Unterfangungen sind bereichsweise möglich. Die Gründung des Neubaus erfolgt über Einzel- und Streifenfundamente. Analog zum Bestand können abhängig vom Baugrund Tiefgründungen erforderlich werden.
HOLZDACHKONSTRUKTION
Die innovative Holzdachkonstruktion aus Brettschichtholz ist entsprechend der Beanspruchung optimiert und geformt. Das radiale Haupttragwerk besteht aus gevouteten Brettschichtholzbindern die auf Y-Holzstützen (BSH) lagern. Die hinteren Zug/Druck-Stützen werden im Kontrast dazu als Stahlhohlprofile ausgeführt. Die Spannweiten und Trägerabstände sind holzbaugerecht ausgeführt. Die dadurch entstehende Rhythmisierung unterstützt das architektonische Konzept. Alle Holzbauteile sind witterungsgeschützt unter der Dachhaut angeordnet. Dadurch wird der konstruktive Holzbau gewährleistet und eine langlebige und nachhaltige Lösung unterstützt.
Die Dacheindeckung besteht aus 2 Bereichen. Im inneren Bereich aus einer transluzenten seilgestützten ETFE Folieneindeckung. Im übrigen Bereich ist ein Flachdachaufbau mit wirtschaftlichen Holzrippenelementen und der Möglichkeit Photovoltaik zu platzieren vorgesehen.
Die Holzkragträger leiten das Kragmoment über ein Kräftepaar (Zug / Druck) in den Baugrund ein. Durch den großzügigen Hebelarm und die Leichtbauweise werden die Auflagerlasten minimiert, um die notwendigen Eingriffe in den Baugrund zu minimieren.
Die Gründung des Dachtragwerks erfolgt über Einzelfundamente und ggf. Tiefgründungen. Die Zugkräfte der Zugstützen werden über Micropfähle in den Baugrund eingeleitet.
Zirkuläres und ressourcenschonendes Bauen
Alle Materialien und Objekte des Bestands werden unter dem Aspekt kreislaufgerechten Bauens betrachtet:
Re-use: Die farbigen Stadionsitze als Teil der Identität des bestehenden Stadions werden umfunktioniert und rund um den Sportpark als Sitzbänke verteilt. Die stadtbildprägenden Lichtmasten werden auf der Mauerparkseite erhalten, konstruktiv ertüchtigt und zu begehbaren Aussichtsplattformen oder zur Energiegewinnung als Windturbinen genutzt.
Re-duce: Um den CO2 Footprint zu minimieren, werden alle Bauwerke als konstruktive Holzbauten konzipiert. Der Einsatz von Stahlbeton wird weitgehend vermieden, die notwendigen Betonflächen werden aus Recyclingbeton hergestellt.
Re-cycle: Der bestehende Tribünenbau liefert hierzu das Material. Fassade, Wandflächen, Verkleidungen etc des Bestands sollen beim Neubau des Tribünengebäudes wieder zum Einsatz kommen.
Nachhaltigkeit / CO2- Neutralität
Das Ziel ist ein Klimapositiver Sportpark. Daher wird der Bestand weitergenutzt und in den Neubau integriert. Dabei wird die CO2-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes betrachtet und auch sämtliche Energien im Betrieb mit bilanziert. Die Bilanzgrenze der Betrachtung ist das Grundstück des Parks. Alle CO2-Emissionen werden nach „Import“ und Export“ über das Jahr bilanziert. Diese Bilanz soll nicht nur die CO2-Emissionen des Gebäudebetriebs, sondern auch die graue Energie der Gebäude amortisieren können. D.h. ein CO2-neutraler Gebäudebetrieb mit einer Überkompensation pro Jahr gleicht die gespeicherte CO2 für die Konstruktion aus. Durch die Kompensation der Konstruktions-Emissionen wird ein CO2-neutraler Sportpark im Lebenszyklus möglich.
Energiekonzept
Das Herzstück des vorgeschlagenen Energiekonzepts ist die Energiezentrale, wo alle Energieströme sowohl Wärme als auch Strom zusammenlaufen. Hier wird der lokal und regenerativ erzeugte Strom verteilt (zum direkten Verbrauch), gespeichert in Batterien (Tag-Nacht Ausgleich und über z.B. eine Wärmepumpe genutzt) oder auch zur saisonalen Speicherung genutzt um Wasserstoff zu erzeugen. Der Wasserstoff wird dabei über lokale Photovoltaik und einem Elektrolyseur regenerativ produziert und Vorort gespeichert. Der Wasserstoff wir über den Betreib von einem Wasserstoff-Kessel und Brennstoffzellen genutzt, um sowohl Wärme als auch Strom zu erzeugen. Das Ziel wäre es, die Energieversorgung noch weiträumiger zu denken und über die Grundstücksgrenzen mit den Nachbarquartieren zu verzahnen; dies kann sowohl mit Strom als auch Wärme (Nahwärmenetz) angedacht werden. So ist ein CO2-neutraler Parkbetreib denkbar und könnte auch erweitert werden hin zu einer H2-Mobilität und damit auch einer Sektorenkopplung. Der Einsatz von Photovoltaik ist dabei ein essentieller Bestandteil der CO2-Strategie. Die Photovoltaik wird großflächig eingesetzt, unter anderem auf dem Dach des Stadions und der Überdachung der neuen Straßenbahnhaltestelle. Die bestehenden Flutlichtmasten werden mit Darrieus-Windturbinen zur regenerativen Energieerzeugung über Windkraft genutzt. Diese Turbinen erzeugen zusätzlich zur Photovoltaik lokalen regenerativen Strom