Beitrag 2012
2. Phase: 2012 – 2. Rundgang
Staab Architekten GmbH, Berlin
Verfasser:in: Volker Staab
Mitarbeiter:in: Simon Banaker, Constanze Knoll, Steffen Rebehn, Frederic Rustige, Leonie Richter, Laura Leinert
bbz landschaftsarchitekten, Berlin
Verfasser:in: Timo Herrmann
Mitarbeiter:in: Findus Reinkober, Marc Leppin
Tragwerk: sbp schlaich bergermann partner, Berlin
TGA: Winkels / Pudik GmbH, Münster
Vollbildgalerie (Link)
Audio zur Beschreibung des Entwurfes
Erläuterungstext der Verfasser:innen
Vom Park auf die Tribüne
Wir verstehen den Inklusionssportpark als eine landschaftliche Einheit, die topografisch in den Mauerpark übergeht. Das Stadion, die Sportfelder und die Gebäude sind in diese Landschaft eingebettet. Das vorhandene, charakteristische Landschaftsrelief erhält eine zusätzlichen Bedeutung, indem die topografische Verschneidung von Landschaft und Stadiongebäude für das inklusive Stadionkonzept genutzt wird: die eingesenkten Tribünen verbinden sich mit dem Stadiongebäude zu einem organischen Baukörper, der nach Osten aus dem abfallenden Gelände herauswächst. Die abfallende Schnittlinie zwischen Gebäude und Landschaft macht es möglich, auf unterschiedlichen Höhen vom Vorplatz und von den barrierefreien Parkwegen direkt auf die Tribünen zu gelangen. So entstehen zahlreiche barrierefreie Plätze in allen Blöcken des Stadions, die ohne Aufzug zu erreichen sind. Inklusion wird zum gestaltgebenden Thema und zum Markenzeichen des Sportparks.
Durch die Absenkung des Sportfeldes werden die Publikumsbereiche und die internen Funktionen klar voneinander getrennt. Vom Vorplatz gelangt man ohne Höhenversprung auf die Tribüne über dem Spielfeld, während die Sportlerinnen und Sportler ebenengleich von der Tiefgarage zu den Umkleiden und aufs Spielfeld gelangen.
Das hölzerne Stadiondach zeichnet den Schwung der Tribünen nach und spannt einen raumhaltigen Schirm über das Stadion. Mit seinem asymmetrischen Dach verstärkt es die plastische Wirkung des Stadionbaus und ergänzt ihn zu einer unverwechselbaren Silhouette.
Durch den Höhenschwung des Stadions am Vorplatz entsteht eine klare Adresse: dort, wo die Fassade über dem Erdboden aufschwingt, ergibt sich organisch der Haupteingang. Diese eindeutige, leicht erfassbare Geste wird durch die Nord-Süd-Verbindung und Ost-Achse in die angrenzenden Wohnquartiere im Stadtgrundriss verankert. Das seitlich gelegene Inklusionszentrum und dessen gastronomisches Angebot beleben den neuen Quartiersplatz zusätzlich und machen diesen zentralen Ort im Sportpark zu einem Treffpunkt und Aufenthaltsort. Mit seinem Hochpunkt am Haupteingang des Parks verweist das Inklusionszentrum auf die quartiersübergreifende Bedeutung des Sportparks.
Alle Sportfelder sind barrierefrei in die landschaftlichen Parkflächen eingebettet, die schattige Pausenflächen, Nischen und Treffpunkte bieten. Die Grünflächen wurden maximiert. Um auch die Dächer für Sportfelder, Park- und Grünflächen zu nutzen, wurden die überdachten Sportanlagen und das Begegnungszentrum in die Topografie eingeschoben. Sie bilden landschaftliche Terrassen, die den Park gliedern und schaffen reizvolle, windgeschützte Orte für Cafés und Pausenflächen.
Aufgrund der geschichtlichen Bedeutung des Jahnstadions und aus Nachhaltigkeitsgründen erhalten wir möglichst viele identitätsstiftende Merkmale und Bestandteile der Anlage. Neben der vorhandenen Topografie und der Ausrichtung des Stadions sollen Bestandselemente wie die Tribünenstufen und der Stahl der Dachkonstruktion auf der Ostseite wiederverwendet werden. Alle verwendbaren Konstruktionselemente und Materialien werden nach dem Rückbau des Bestandes aufbereitet und wiedereingebaut. Als weitere identitätsstiftendes Angebot schlagen wir vor, die vier charakteristischen Lichtmasten des alten Stadions zu einer Aussichtsplattform zusammenzufügen, von der man den ganzen Park vom Mauerpark im Westen bis zu den Sportfeldern im Osten überblicken kann.
Freiraumkonzept
Das Freiraumkonzept für den Sportpark wurde direkt aus der Forderung nach einem beispiel-haften Design-for-all entwickelt. Alle Sportfelder sind barrierefrei in die landschaftlichen Park-flächen eingebettet, die schattige Pausenflächen, Nischen und Treffpunkte bieten. Die Sport-
anlagen entsprechen den gültigen Wettkampfstandards. Höhenunterschiede im Außenraum werden auf kurzem Wege über barrierefreie Rampen überwunden. Fuß- und Fahrradwege verknüpfen den Park mit dem Mauerpark und den angrenzenden Stadtquartieren. Der Grün-anteil innerhalb des Sportparks wurde maximiert.
Regenwassermanagement: Zwischen den Sportplätzen im Osten werden an geeigneten Stellen großzügige Versickerungsmulden angelegt, in denen das Regenwasser von Wegen, Sportplätzen und Dächern gesammelt und vor Ort verdunstet und versickert werden kann. Diese Mulden bilden eine eigene Feuchtvegetation aus, die die Biodiversität im Park erhöht. Vielfältige Gräser erzeugen in den Liegewiesen und Wiesenflächen ein Habitat für Flora und Fauna.
Erschließung
Der Hauptzugang zum Stadion erfolgt über die Eberswalder Straße im Süden. Er wird von dem Hochpunkt des Begegnungszentrums betont, der auf die quartiersübergreifende Bedeutung des inklusiven Sportparks verweist. Weitere Zugänge aus den angrenzenden Wohnquartieren liegen im Norden und Osten an den zwei prägnanten Wegachsen, zwei Tore führen in den Mauerpark. Bei Stadionbetrieb wird der Bereich um das Stadion so abgegrenzt, dass alle Sportanlagen und die Durchwegungen im Park weiterhin genutzt werden können. Für Gastfans wird an der Süd-seite ein weiterer Zugang geöffnet, der es möglich macht, die Erschließungswege von Heim- und Gastfans zu trennen. Nachts kann der Sportpark abgeschlossen werden.
Durch die Absenkung des Sportfeldes werden die Publikumsbereiche und die internen Funktionen klar voneinander getrennt. Vom Vorplatz gelangt man ebenengleich auf die Tribüne über dem Spielfeld, während die Sportlerinnen und Sportler ebenengleich von der Tiefgarage zu den Umkleiden und aufs Spielfeld gelangen. Die Westtribüne und die Heim- und die Gastkurve des Stadions können auf unterschiedlichen Höhen barrierefrei ohne Aufzüge aus dem Park betreten werden. So können Gruppen gemeinsam bis zu den Sitzplätzen auf der Tribüne gelangen. An allen Zugängen sind breite Aufstellflächen für Rollstuhlfahrer vorgesehen, die Servicebereiche sind von dort barrierefrei zugänglich.
Die Sportlerinnen und Sportler gelangen aus der Tiefgarage direkt zu den Umkleiden und aufs Spielfeld. Die Tiefgaragenzufahrt erfolgt getrennt vom Publikumsfuß- und -radverkehr über die Topsstraße. Rettungskräfte erreichen über zwei Zufahrten aus der Tiefgarage das Spielfeld und über eine Umfahrung im Park jeden anderen Bereich des neuen Stadions.
In allen anderen Bereichen des Parks gewährleisten großzügige Wegbreiten den Zugang von Feuerwehr und Sanitäter. Ein Hubschrauberlandeplatz ist nahe dem Stadion vorgesehen.
Radstellplätze und behindertengerechte PKW-Stellplätze werden dezentral im Sportpark verteilt. Zwei Mannschaftsbusse erhalten eine Stellfläche am Stadion.
Nutzungsverteilung
Alle Stadionnutzungen werden im Tribünenbaukörper angeordnet.
Vorplatzebene/EG: Der Haupteingangsbereich wird durch das auskragende Dach und den Unterschnitt im Baukörper deutlich markiert und vor Regen und Wind geschützt. Zahlreiche Durchgänge führen von dort ebenerdig auf die untere Tribüne mit den barrierefreien Plätzen und zu den Plätzen für Menschen, die auditive Unterstützung benötigen. Eine Erschließungs-spur auf Tribünenseite führt zu den höheren Rängen. Einsatzkräfte und Presse erhalten Flächen mit Blick auf das Spielfeld, die Presse ist an die Mixed-Zone im Untergeschoss angebunden. Allen Sektoren sind eigene Sanitärbereiche zugeordnet. Über ein separates, mehrgeschossiges Foyer wird der VIP-Bereich im obersten Geschoss aus dem Erd- und dem Untergeschoss angebunden.
Spielfeldebene/UG: Die Tiefgarage unter dem Vorplatz grenzt direkt an das Stadion. Über einen zentral gelegenen Eingang gelangt man ebenerdig zu den Sportlerbereichen, zu den Tribünen, zum VIP-Foyer. Zwei Zufahrten für Rettungskräfte führen direkt auf das Spielfeld. Alle Zugänge aus dem Tribünengebäude ins Stadioninnere sind barrierefrei. Flächen an den Schmalseiten nehmen Lager und Technik auf.
Obergeschoss: Im Obergeschoss ist der Pressebereich mit Konferenzraum und Fernsehstudio vorgesehen, zudem befinden sich dort die wesentlichen Verwaltungsräume, der Hospitality-Bereich und Serviceräume für den VIP-Bereich.
VIP-Ebene: die obersten Räume des Tribünenrings nimmt der separat erschlossene VIP-Bereich mit Club- und Aufenthaltsräumen und einer eigenen Tribünenterrasse ein.
Tragwerk
Für die Tragkonstruktion waren neben einer einprägsamen Gestaltung die Themen Nachhaltigkeit, Baukosten und Bauzeit die wesentlichen Entwurfsparameter. Aufgrund der geschichtlichen Bedeutung des Jahnstadions erhalten wir möglichst viele identitätsstiftende Merkmale der Anlage. Daher ist nach dem Rückbau des Bestandes die Aufbereitung und der Wiedereinbau der verwendbaren Konstruktionselemente und Materialien vorgesehen. Hierdurch wird nicht nur Respekt vor dem immer wieder aufwendig sanierten Bestand ausgedrückt, sondern auch eine nachhaltige, zeit- und kostensparende Konstruktion ermöglicht. Dies gilt z.B. für die Tribünen-stufen, die Tragelemente der bestehenden Haupttribüne sowie die Stahldachkonstruktion auf der Ostseite und besonders für die Flutlichtmasten. Letztere sollen als neue Attraktion saniert, ertüchtigt, zu einer Turmkonstruktion mit Aussichtsplattform und Aufzug kombiniert und an anderer Stelle auf dem Gelände wiedererrichtet werden. Dies wäre statisch möglich, da sich die Masten vermutlich mit geringem Aufwand zu einem geeigneten Tragwerk verbinden lassen. Von der Plattform, die über einen Aufzug erreicht wird, könnte man den ganzen Park vom Mauer-park im Westen bis zu den Sportfeldern im Osten überblicken.
Die neue barrierefreie Tribünenschüssel entspricht grundlegend in Lage und Form dem ehemaligen Stadion und wird durch eine leichte Dachkonstruktion aus Holz ergänzt. Der Erdaushub, der bei der leichten Verschiebung des Kessels entsteht, wird zur Modellierung des Geländes vor Ort wieder verfüllt. Die Tribünenkonstruktion besteht aus statisch und ökologisch optimierten Geschossdecken, aus den wiederverwendeten Bauelementen und üblichen Hoch-baukonstruktionen. Der Einsatz von speziellem CO2-effizientem Beton ermöglicht eine deutliche Reduktion der Treibhausgasemissionen aller Bauteile aus Stahlbeton.
Das Dach ist als auskragende und gleichzeitig räumlich tragende Holzkonstruktion konzipiert, deren Einspannung über Druck und Zugstützen erfolgt. Die Tragstruktur der Dachscheibe besteht aus sich kreuzenden Hauptträgern sowie einem Innen- und Außenringträger aus Brettschichtholz. Sie folgt der Kontur der Tribünenschüssel in einem festen Abstand und passt in der Neigung der Stützen dem Winkel der Fassade harmonisch an. Diese Form sowie die Neigung des Daches begünstigen die räumliche Tragwirkung des Daches, alle Querschnitts-abmessungen sind variabel auf den Verlauf der Tragwerksbeanspruchungen abgestimmt und optimiert. Die Brettschichtbinder laufen in Druckstützen aus, die in ihren Fußpunkten durch schlanke Stahldetails in den Hauptachsen radial an die Oberkante der Schüssel angeschlossen sind. Die Druckstützen sind ebenfalls aus Brettschichtholz und haben einen unregelmäßigen, sich verjüngenden Querschnitt, der sich aus der Knotengeometrie am Anschluss zu den Bindern ergibt. Die äußeren Auflager des Daches bilden schräge Zugelemente.
Das Dach wird mit einer leichten Struktur aus CLT-Dachpanelen im Außenbereich und einer vorgespannten Membrankonstruktion im Innenbereich überdeckt.
Gebäudetechnisches Konzept und Energieerzeugung
Das Leitmotiv des TGA-Konzeptes ist der Anspruch der Ausloberin, mit einem möglichst geringen Ausstattungsgrad an pflege- und personalintensiver Technik die geforderten hohen energetischer Standards einzuhalten. Basis hierfür ist die hohe „passive Qualität“ des hochbaulichen Entwurfs und ein „Low-Tech Konzept“, das die Erstellungs- und Betriebs-kosten niedrig hält.
Die gemeinsame Nahwärmeversorgung des Stadions und der zukünftigen Gebäude im Inklusionssportpark wird in der nördlichen Technikzentrale angeordnet. Von dort und von der gegenüberliegenden Zentrale im Süden, werden Wasser, Heizung und die Stromversorgung in einer Medienstraße zu den einzelnen Gebäudeteilen geführt. Die gegenläufige Anordnung der Medien sorgt für eine kleinere Trasse und einfacheren „Ausfädelung“ an den jeweiligen Clustern. Lüftungstechnik wird dezentral und nur für die unbedingt notwendigen Bereiche vorgesehen. Kriterium für deren Auslegung ist der hygienische Mindestluftwechsel. Heiz- und Kühlbedarf werden primär über stille Systeme gedeckt. Bei besonders hohe Kühllasten (wie IT) werden im Bedarfsfall Umluftgeräte eingesetzt.
Für die Energieerzeugung wird ein Wärmepumpen- und Photovoltaik- basiertes Energieerzeugungskonzept gewählt. Als Wärmeerzeugung bzw. -quelle werden primär Erdkollektoren eingesetzt, die in den neu entstehenden Rasenflächen angeordnet werden. Zusätzlich wird eine Luftwärmepumpe installiert, die den Spitzenlastbedarf abdeckt und reversibel Kälte erzeugen kann. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ließe sich mit einem solchen Konzept die komplette Last des Stadions und auch die zukünftigen Gebäude des Inklusionspark versorgen. Eine vorsichtige Abschätzung unter Annahme der Heizlasten von ca. 30-50 W/m², ergibt eine Gesamtheizlast für die Räume des großen Stadions von ca. 250 kW, und des zukünftigen Sportparks von ca. 400 kW. Bei einer Annahme von etwa 1.500 Volllaststunden ist ein Jahresenergiebedarf von ca. 1.000.000 kWh für die Beheizung zu erwarten. Energiegewinnung.
Der Ertrag durch die im Wettbewerbskonzept angedachte PV-Anlage auf dem Stadiondach
beträgt in jeden Fall mehr als 600.000 kWh/a. Die Kühllasten (der zu kühlenden Räume) betragen insgesamt ca. 100 kW. Die dafür erforderliche elektrische Leistung könnte komplett über die freie Kühlung der Erdkollektoren und die PV-Anlage abgedeckt werden.
Eine zusätzliche oder alternative Versorgung über die Fernwärme in Kombination sollte in einer späteren Planungsphase wirtschaftlich untersucht werden, da sicherlich die rein investiven Kosten mit Wärmepumpen teurer sind. Das Planungsteam geht aber davon aus, dass auch aus wirtschaftlicher Sicht eine Eigenerzeugung zukunftssicherer ist: Durch den Einsatz einer Wärmepumpe mit einer JAZ von 3,0- 4,0 wäre das gesamte Sportzentrum -zumindest bilanziell- weitgehend von fossiler Energie unabhängig und hätte damit für ein Gebäude dieser Nutzung sicherlich Vorbildcharakter. Eine BNB-Zertifizierung im Standard „Silber“ wäre in jedem Fall zu erreichen.
Weitere Ausstattungsmerkmale sind in der Baubeschreibung nach DIN 276 aufgeführt.
Brandschutz
Im Tribünengebäude wurden drei durchgehende Fluchttreppenhäuser mit Ausgang direkt ins Freie angeordnet. Damit werden an allen Stellen Fluchtweglängen von unter 35 m eingehalten. Da in den Blöcken weniger als 600 Sitzplätze vorgesehen sind, sind die zwischen zwei Blöcken liegenden Treppen mit 1.30 Metern ausreichend breit dimensioniert.